With Flying Colors
Die Ambivalenz der Fliege
Da hockt sie nun so klein und unbedeutend – und häufig nicht erreichbar, wenn sie sich mit schnellem Flügelschlag unserem Zugriff entzieht. Dann brummt sie weiter vor unseren Augen und Ohren. Vorbei und doch präsent, nervend und faszinierend: die Fliege.
Natürlich haben sich die Insektenkundler ihrer angenommen. Haben Fliegen kategorisiert und katalogisiert, das Geheimnis ihres Flügelschlages entschlüsselt und den Sinn ihres biologischen Daseins als Reinigungskraft beschrieben. Doch sie ist mehr.
Denn über einen Forschungsgegenstand der Entomologie hinaus war die Fliege, im Gegensatz zu ihrer scheinbar unbedeutenden Alltagserscheinung, oft Gegenstand der Kunst. Dichter und Maler faszinierte von jeher ihre Ambivalenz. Vergänglichkeit versus Flüchtigkeit. Perfektion und Wertlosigkeit. Die Schönheit der kleinen Dinge und das Hässliche schlechthin.
Hier, bei ihrer Ambivalenz, setzt Tanja Pfaff an und interpretiert die traditionelle Symbolik der Fliege neu: Vergänglichkeit, Tod, Krankheit, das Böse, Gesichtslose, Hässliche verwandeln sich in Eleganz, in faszinierende Schönheit und schließlich in unvergessliche Einzigartigkeit und Individualität.
In der überdimensionalen Darstellung eines Wesens, das uns seit Jahrtausenden nicht von der Seite weicht und gleichzeitig als Symbol für die Vergeblichkeit des Seins steht, entdeckt der Betrachter der Fliegen bei With Flying Colors etwas bislang Ungesehenes – und begegnet sich im Moment des Betrachtens und Erlebens selbst.
Diese Insekten sind nicht mehr ein dunkles, summendes Etwas, sondern farbenprächtige Individuen, die uns die Größe, die ihnen innewohnt, auf ihre mehrdeutige Weise zeigen. Wir werfen vergrößerte Blicke auf etwas, was wir sonst geflissentlich übersehen. Lernen bislang unbekannte Gedanken zwischen Misstrauen und Mystik kennen. Verwandeln Unkenntnis in Neugier und betreten eine uns vorher unbekannte Welt.
War die schwarze Fliege auf den altmeisterlichen bunten Blumen- und Obststillleben ein Memento Mori welches den Betrachter an die Vergänglichkeit und Vergeblichkeit allen menschlichen Handelns erinnerte, kehren die Fliegen in With Flying Colors ihre Symbolik in eine andere Richtung. Sie sind nicht mehr der dunkle Fleck, sondern sie sind nun selber farbenprächtige Individuen, die aus der Anonymität heraustreten und uns gegenüberstehen.
Ein Hoch auf das Leben und die Schöpfung?! Fliegen sind ambivalent. Sie sind Symbole für Tod und Teufel, sie sind Symbole für Wahnsinn, Krankheitsüberträger und – sie spielen eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem. Sie sind wichtig für das Leben auf unserem Planeten; denn sie sind Bestäuber, Aasfresser und Futterlieferanten. Jede von ihnen ist einzigartig, schön, bunt, individuell und voller Leben. Sie sind Meisterwerke der Schöpfung. Ohne die Insekten, Mikroorganismen und Pilze ist ein Leben auf unserem Planeten für uns undenkbar.
über Tanja Pfaff
Die Hamburger Artdirektorin und Künstlerin arbeitet seit mehr als 25 Jahren für Agenturen, Verlage, Marken und Institutionen. In ihrem Studio in Hamburg werden Gestaltungskonzepte entwickelt, bei denen souverän und überraschend die Grenzen zwischen Kunst, Design, Produkt und Wirtschaft verschoben werden. Zahlreiche Kunstprojekte und Kreationen wurden im In- und Ausland ausgezeichnet und ausgestellt.
Das Kunstprojekt WITH FLYING COLORS wurde in Hamburg im Oberfett und in der Raiding Foundation in Österreich ausgestellt.
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Seit der biblischen Geschichte von Noah und seiner Arche wissen wir von der gottgewollten Beziehung des Menschen zu seinen Mitgeschöpfen sowie seiner Verantwortung für die Bewahrung der göttlichen Schöpfung. Seit Noah und seiner Arche wissen wir aber auch, dass häufig diejenigen, die auf Risiken und Missstände hinweisen, von der Gesellschaft nicht ernst genommen werden. Sie gelten im besten Fall als unverbesserliche Pessimisten oder gar als Spassverderber und Panikmacher.
Die Frage, ob wir die Verantwortung gegenüber der Natur und unseren Mitgeschöpfen annehmen, ist aktueller denn je. Das Insekten- und Bodensterben könnten die letzten Warnungen an uns sein, denn ohne Insekten bricht unsere Welt, wie wir sie kennen, zusammen. Die Insekten sind vielleicht die wirklichen „Bewahrer unserer Schöpfung“, da sie für den „ewigen Kreislauf des Lebens“ sorgen – ohne dafür von uns Menschen eine besondere Beachtung oder gar Wertschätzung zu erhalten. Unachtsamkeit und Blindheit gegenüber diesem Geschenk der Schöpfung sollten sich in Achtsamkeit, Erkennen und Wertschätzen verwandeln.
Die Ausstellung: With flying colors
Stellen Sie sich vor, Sie betreten einen dunklen Flur, der von einem undefinierbaren Summen (Dolby-Surround, Soundeffekte, laut/leise, schnell/langsam, verzerrt) erfüllt ist. An den Wänden hängen schwarze Bilder, die von Strahlern beleuchtet werden. Während Sie daran vorbeigehen, entdecken Sie, zu Ihrer großen Überraschung, Fliegen. Bunte Fliegen, die sich auf den schwarzen Bildern niederlassen und zu lebenden Bildern werden. Nun kommen Sie in den eigentlichen Ausstellungsraum. Hier erwarten Sie die Stars der Ausstellung: Fliegen, die durch unterschiedliche Bemalungen zu Individuen mit einer ganz eigenen Ausstrahlung werden. übermenschengroß. Dann eine riesige Projektion. Ein Film mit den zum Kunstwerk gewordenen Insekten zeigt sie über Wände krabbelnd und unterstreicht das undefinierbare Gefühl zwischen Faszination, Schönheit, Leben, Ekel und Angst. Mit fliegenden Fahnen untergehen, faszinierend coloriert vorbeifliegen: der vergrößerte Blick auf Objekte, die wir sonst geflissenlich übersehen oder gar bekämpfen, lässt neue Einblicke, Erkenntnisse und Erfahrungen zu. Misstrauen und Mystik, Schönheit und Vergänglichkeit – tausende lebender Tiere treten dem Betrachter als Kunstobjekte gegenüber. Unkenntnis paart sich mit Neugier – so öffnen sich, Kippbildern gleich, neue Erkenntnis- und Erfahrungsräume.
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Ich hatte mit einer Fliege gesprochen.
Ich wurde von ihr in eine andere, unheimliche und faszinierende Welt entführt. War es möglich dieses Erlebnis zu wiederholen? Und – wenn ja – wer und was würden mich erwarten?
„O ihr Menschen, ein Gleichnis ist geprägt, so höret darauf: Gewiss, jene, die ihr anruft statt Allah, werden in keiner Weise vermögen, (auch nur) eine Fliege zu erschaffen, wenn sie sich dazu auch zusammentäten. Und wenn die Fliege ihnen etwas raubte, sie können es ihr nicht entreißen. Schwach ist der Suchende wie der Gesuchte.“
(Die Pilgerfahrt (Al-Hajj), Koran)
„Wo die Einsamkeit aufhört, da beginnt der Markt; und wo der Markt beginnt, da beginnt auch der Lärm der großen Schauspieler und das Gewirr der giftigen Fliegen.“
(F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra)
„Wie kann es einen doch unterhalten, eine Fliege gefangen zu haben, und sie unter einer Nussschale eingesperrt zu halten, und zuzusehen, wie sie mit dieser herumzulaufen vermag, …“
(Sören Kierkegaard)
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